Das eigentliche Problem ist doch ein eklatanter Mangel an politischer Bildung in der breiten Gesellschaft, oder? Der Großteil der AfD-Wähler würde nachweislich am stärksten unter dem neoliberalen Parteiprogramm der AfD leiden. Über 80% der Menschen in Deutschland sind für mehr Klimaschutzmaßnahmen, aber wenn es konkret wird, will sich kaum jemand einschränken. Wir haben es in der jüngeren Vergangenheit einfach verpasst, den Menschen das richtige Handwerkszeug mitzugeben, was sie in einer globalisierten, sich immer schneller drehenden Welt benötigen.
Wo früher Traditionen, Familie und Kirche Halt gaben, herrscht heute große Volatilität durch Internet und Social Media. Informationen verbreiten sich binnen Sekunden über die ganze Welt. Nur die Kognitionsfähigkeit der Menschen hat sich nicht im gleichen Maße entwickelt. Ich habe den Eindruck, viele Menschen fühlen sich schlicht und ergreifend überfordert. Das merke ich sogar bei mir selbst, obwohl ich mich eher als progressiv beschreiben würde.
Leider kommen viele Medien ihrem Bildungs- und Informationsauftrag nicht nach, weil sie Teil von großen Konzernen sind, die ihre eigene politische Agenda haben und in erster Linie Profitmaximierung betreiben. Bestes Beispiel, das Spiegel-Cover eine Seite zuvor. Olaf Scholz sagt "Wir müssen endlich im großen Stil abschieben". Dabei unterschlägt der Spiegel den zweiten Teil des Satzes "... die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben". Damit wird die ursprüngliche Aussage aus dem Zusammenhang gerissen und verdreht. Anstatt aufzuklären, wird hier billiger Populismus betrieben, um die Absatzzahlen zu steigern. Und genau das muss man den Leuten klar machen.
Was wir heute in der gesamten westlichen Welt beobachten, ist das Resultat eines anhaltenden Neoliberalismus, beginnend mit Reagan und Thatcher in den 80er Jahren, welcher die Schere zwischen arm und reich immer weiter vergrößert. Was ihn perfiderweise so erfolgreich macht, dass er den Menschen die Illusion des Aufstiegs vorgaukelt, stattdessen aber die bestehenden Verhältnisse manifestiert. 95% der Wähler hätten von den Steuerpläne der SPD, Grünen und Linke aus dem letzten Bundestagswahlkampf profitiert. Trotzdem haben über 11% die FDP gewählt, welche Steuerreformen aktuell ablehnt.
Für mich ist das ein Indiz mangelnde politische Bildung, was rein gar nichts mit Intelligenz zu tun hat. Die Leute sind durch die Informationsflut einfach überfordert und entscheiden sich dann für die vermeintlich "einfachen" Lösungen. Befeuert wird das ganze durch mächtige Medienkonzerne und Lobbyverbände, die versuchen ihren eigenen Status Quo zu erhalten. Da werden dann Lügen über einen Gesetzesentwurf verbreitet, welche jeden demokratischen Diskurs im Keim ersticken.
Die Frage, die ich mir stelle, wie kommt man dagegen an? Es ist natürlich immer einfach die eigene Verantwortung zu leugnen und auf "die da oben" zu schimpfen. Dabei steckt der Lösungsansatz doch schon im Wort "Demokratie". Nicht Parteien gestalten unsere politische Zukunft, sondern eine starke Zivilgesellschaft. Wahlen sind nur ein Instrument unter vielen. Meiner Meinung nach müssen wir viel mehr diskutieren, aufklären und ehrlicher zu uns selbst sein. Aber vor allem brauchen wir mehr Zuversicht. Konflikte unter Regierungsparteien sind nicht nur Streit, sondern auch demokratischer Diskurs. Klimaschutzmaßnahmen sind unangenehm, aber keine Maßnahmen sind noch viel unangenehmer. Resignation ist die einfache Lösung. Ich für meinen Teil muss sagen, ich bin mehr als das.