11.09.2009 13:02
Morgens am 11.09.2001 wachte ich auf, in einer Bundeswehrkaserne der Marine in Wilhelmshaven.
Was ich da tat ? Meine Wehrpflicht erfüllen. Ich war jung, naiv und ich dachte bei der Marine sieht man die weite Welt. Doch soweit ist es nicht gekommen, denn ich wurde für die Truppenverwendung 73 eingeteilt - "Kraftfahrdienst." Drum befand ich mich in einer Grundausbildungseinheit um einen LKW Führerschein zu machen, den ich danach in meiner Dienstzeit gar nicht mehr brauchte.
Nun, so erwachte ich das erste mal seit 2 1/2 Monaten zu einer äußerst ungewohnten Zeit, irgendwann gegen 9h morgens, was im Grunde purer Luxus und schon wieder ungewohnt war, da man in den Wochen zuvor auch gerne mal um 3:30h mit einem nervigen "Reise Reise" aus den Träumen gerissen wurde um danach einen 15km Fussmarsch zu absolvieren. Wie auch immer. Der Grund des Ausschlafens : Nachtfahrausbildung.
Nachdem ich dann also gemütlich frühstückte suchte ich mit einem Kaffee bewaffnet den Aufenthaltsraum auf, in mangelnder Kreativität was man denn mit der wiedererlangten Freiheit für den Moment den anstellen könnte, Dienstantritt erst am späten Nachmittag. Man zappte so durch die Kanäle, aber nichts interessantes dabei. Wochentag, morgens. Also auch wieder raus, was sinnvolles machen. Bettwäsche tauschen beispielsweise. Als ich den Raum dann verlies kamen mir zwei Kameraden entgegen und faselten etwas von "Cessna, New York... Nachrichten" ... keine 20min später saß ich wieder im Raum mit den beiden Kameraden und sah die Rauchwolken aus dem Turm des World Trade Centers steigen. "Das war keine Cessna ! " ... der Beweis kam später, als wir miterleben mussten, live am Bildschirm wie die zweite Maschine in den zweiten Turm jagte.
Was einem da so durch den Kopf geht, wenn man in einer Tarnfleck Uniform vor einem Bildschirm steht ? " Na super, da machst du einmal Wehrdienst im Leben... und dann sowas... "
Der Fernsehraum füllte sich nach und nach mit weiteren Kameraden, Ausbildern ... Unteroffizieren und alle verfolgten die Ereignisse... Der Tag war noch längst nicht vorbei und es sollte noch eine lange Nacht werden. So vermischten sich die Meinungen, flüchtige Lageeinschätzungen von Vorgesetzten und persönlichen Gedanken zu einer makabren Stimmung in der der "Soldat" mit der harten Schale zwar nach außen sich souverän gibt, aber im Grunde ein Haufen erwachsener Männner mit ihren persönlichen Gedanken alleine bleiben. Der erste Turm stürzte ein ... der zweite. Schrecklich. Auf allen Fernsehkanälen das gleiche Bild, die selben Nachrichten. Der Alltag schien stehenzubleiben, Paralyse.
Später dann am Tage Dienstantritt, gegen 16h oder gar später. Traditionell stand für die Nachfahrausbildung zunächst ein Grillen in der Werkstatthalle auf dem Dienstplan. Oberflächige Meinungen wurden ausgetauscht, die Wurst schmeckte nicht. Eine Stimmung wie auf dem Leichenschmaus. " Was passiert nun ? ". Nichts. Weitermachen. So fuhren wir denn mit dem Ausbildern und dem zweiten Fahrschüler in den Abend, die Nacht. Durch die Gegend, um die Fahrstunden vollzubekommen. Routine, Fahrzeugcheck ... Alles begleitend das Radio, Informationen aufnehmen, Neuigkeiten konsumieren.
Hinzu mein Fahrausbilder, ein Bootsmann der sein Handy strapazierte um direkt von Kameraden aus der Truppe Erkenntnisse zu erlangen. Interne Informationen wie "Höchste Alarmbereitschaft auf dem Fliegerhorst" vermischten sich in der Nacht mit spärlichen Radioinformationen und Spekulationen... Nacht um drei dann übers Radio "Bomben auf Kabul" ... also eine direkte Intervention der US Regierung unter Bush ? Heute mutet mir das alles, diese Situation in der ich steckte surreal an.
In den folgenden Monaten meiner Dienstzeit vermischte sich Ungewissheit " Was passiert als nächstes ? " mit einem intensiven Konsum der Massenmedien, sofern es denn möglich war. Geschehen ist glücklicher Weise nichts, was eine konkrete Auswirkung auf meinen Dienst gehabt hätte. Nur eine glückliche Feststellung kann ich machen. Zwar habe ich mich damals für den Wehrdienst entschieden, doch für potentielle Auslandseinsätze unter Nato Führung und einer verlängerten Wehrdienstzeit habe ich mich nicht bereiterklärt als ich mich mustern lies.
So sah ich dann nicht die weite Welt, sondern erlebte wie binnen kürzester Zeit die Schiffe der deutschen Marine ihren Heimathafen in Wilhelmshaven verliessen um ans Horn von Afrika verlegt zu werden. Sehr schnell wurde die Teilstreitkraft Marine mit all ihren verfügbaren Kapazitäten in den Einsatz geschickt. Dies war merklich, in Wilhelmshaven lagen fortan nur noch einzelne Schiffe. Auch heute noch agieren die deutschen Truppenkontingente an der Grenze des machbaren. Mehr Auslandseinsätze sind nicht realisierbar.
Nun 8 Jahre später... was ist seitdem alles geschehen ? Afgahnistan, der Irak ... Piraten. Zusammenbruch der Finanzmärkte. Eine Weltmacht im Krieg aus patriotischen Motiven. Jedoch ohne konkretes Feindbild. Ein stiller Krieg mit Attentaten... ein zermürbender Krieg der Ängste schürt und primär sekundäre, indirekte Auswirkungen hat.
Eine Konsequenz - sowie ersten direkte Auswirkungen an der Börse - war die Senkung des Leitzinssatzes auf US Staatsanleihen auf magere 1% ... zu wenig Ertrag für gewinnorientierte Anlageninteressierte, weswegen die Finanzmärkte neue Risikoanlagen wie die Mortage Loans kreierten und letztendlich dazu führten das nun letztes Jahr am 15. September mit der Insolvenz von Lehman Brothers die Finanzmärkte weltweit kollabierten.
700 Millarden Dollar, vernichtet an einem Tag an den Börsen der Welt. Ein zehnfaches des finanziellen Schadens der Insolvenz von Lehman Brothers.
Seit acht Jahren nun spielt sich in Afgahnistan und dem Irak ein Krieg ab. Anschläge zwar auch in London, Madrid, Bali, Jakarta, Bombay / Mumbai ... nahezu tägliche Angriffe auf US Truppen im Irak, Afgahnistan ... auch gegen andere Streitkräfte die seitens der USA in "humanitärer" Mission bzw. zur befriedenden Demokratisierung dieser Staaten beitragen.
Der Schaden in den USA hingegen findet im inneren, ohne zutun terroristischer Aktivitäten statt.
Die Zäsur - zwei Flugzeuge. Der Täter ? Umgekommen. Der Fadenzieher ? Ungefasst. Die Konsequenzen ? Irreperabel. Mit konkreten ökonomischen Auswirkungen auf jeden von uns.
Mir scheint es zeitweilen das einer Hydra das Augenlicht genommen wurde und diese wild um sich schlagend mehr Schaden an sich selbst anrichtet als das Dritte dazu in der Lage wären.
Kopflos, unkontrolliert. PowerPoint Präsentationen über dubiose LKW´s die Angriffskriege rechtfertigen sollen. Wie Joschka Fischer damals äußerte " I´m not convinced ".
Man könnte sich nun in Verschwörungtheorien hineinsteigern und den Teufel an die Wand malen, Verdächtige suchen und wilde Spekulationen anführen.... aber bevor ich noch weiter abschweife und man ggf. in sinnfreie spekulative Diskusionen abrutscht.
Mich würde einfach interessieren wie Ihr damals den 11. September erlebt habt. Ist ja quasi eins der gängigen Gesprächsthemen für diesen Tag.